Während Home-Office-Phase:
Wie gelingt Führungskräften, den Mitarbeitern während der Home-Office-Zeit zwangsläufig mehr Eigenständigkeit zu geben und dennoch die Führungsrolle nicht aus der Hand gleiten zu lassen?
In der Krise ändert sich die Rolle der Führungskraft. Schon alleine durch die örtliche Distanzierung ist der Kontakt zu den Mitarbeitern ein viel loserer, als Tür an Tür im gleichen Büro. Vieles, was die Mitarbeiter in ihren Home Offices machen, entzieht sich dadurch der direkten Kontrolle des Chefs. Trotzdem muss das nicht bedeuten, die Führungsrolle abzugeben. Das Wichtigste dabei wird sein, nicht das eine oder das andere zu leben, sondern trotz der Distanz guten Kontakt zu haben.
Das Um und Auf wird dabei ein klares Regelwerk sein, das von der Führungskraft vorgegeben werden sollte. Dazu gehört das tägliche Morgen-Meeting zu einem fixen Zeitpunkt. Dieses Meeting sollte kurz und knackig sein, und immer nach einer gewohnten Struktur ablaufen:
1. Woran hast Du gestern gearbeitet? 2. Was steht heute auf Deinem Plan? 3. Was sind die noch offenen Punkte, die noch gelöst werden müssen. 4. Wen oder was brauchst Du dafür?
Mit dieser einfachen Struktur, die Klarheit und Sicherheit vermittelt, kann eine tägliche Abstimmung im Team erreicht werden, die nicht länger als 5 Minuten pro Person dauert. Sollte aus dieser Runde ein Abstimmungs- bzw. Unterstützungsbedarf zwischen einzelnen Teammitgliedern entstehen, dann können sich daraus weitere One on one Meetings ergeben.
Die Entscheidungen und geplanten Schritte sollten nicht zu langfristig gedacht werden, da wir nicht wissen, wie sich die Situation entwickeln wird. „Auf halbe Sicht fahren“ sollte hier momentan das Motto sein. Es geht also um kleine, aber dafür regelmäßige Schritte mit regelmäßiger Rückmeldung.
Nicht nur der Chef ist getrennt von seinem Team, sondern auch das Team von seinem Chef. Die Mitarbeiter bleiben in dieser Zeit umso mehr in Verbindung, umso mehr Informationen sie auch von oben erfahren. Es sollte also regelmäßig auch ein Update vom Chef an die Mitarbeiter erfolgen, was die Gesamtsituation ist und wo das Team gerade steht.
Viele Mitarbeiter erleben zurzeit viel Stress. Abgesehen von der Arbeit, kann es der Umgang mit der Technik sein, die persönliche wirtschaftliche Situation, die Kinderbetreuung, die Wohnverhältnisse, etc. Das sind Tatsachen, die die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter beeinflussen. Auch dafür sollte sich ein Chef interessieren. Die Qualität des Zuhörens wird daher umso wichtiger – zwischen den Zeilen lesen zu können und die Mitarbeiter auch trotz der Distanz auf einer menschlichen Ebene abzuholen. Sonst kann Widerstand riesengroß werden und vom Chef sogar völlig unbemerkt bleiben. Es gilt hier also, in Verbindung zu bleiben, für die Mitarbeiter eigene Teamstrukturen zu schaffen und in kleinen Bereichen Sicherheit zu bieten, die man als Chef unter Kontrolle hat. Dazu wird klare und direktive Führung nötig sein, in deren Rahmen Räume für die Mitarbeiter geschaffen werden, die maximale Eigenständigkeit zulassen.
Sobald die Mitarbeiter wieder physisch im Unternehmen arbeiten:
Wie können Führungskräfte ihre Teams nach dieser langen Home-Office-Zeit wieder gemeinsam optimistisch und zielstrebig ins Laufen zu bringen?
So gerne wollen alle Unternehmen optimistisch und zielstrebig in die Zukunft gehen! Gerade nach der Krise gilt es, schnell wieder alles ins Laufen zu bringen, um die Verluste irgendwie wieder wett zu machen. Leider wird das nicht so einfach gehen, denn gerade jetzt gilt es zu erkennen, dass viele Menschen tatsächlich nicht optimistisch und vom Krisenmodus erschöpft sind. Jeder Mensch bringt aus der Krise andere Belastungen mit, die ihre Zeit und Raum brauchen, um verarbeitet werden zu können. Die gemeinsame Verarbeitung dieser Themen fördert die Wertschätzung und das Zusammengehörigkeitsgefühl im Team.
Gewissermaßen startet jedes Team nach der langen Home Office-Zeit wieder in einer Forming-Phase und sollte sich überlegen, wie gehen wir miteinander um, was hat in der Krise gut funktioniert und was nicht. Das Team hat sich über die Wochen der Distanz entfremdet und wird hohe Erwartungen an die Führungskraft haben, deren Rolle sich ebenfalls ändern wird. Neben starkem Leadership wird auch wieder mehr Management-Arbeit gefordert sein, da Menschen nach Krisen Sicherheit brauchen, klare Entscheidungen, schnelle Reaktionen, funktionierende Prozesse und Strukturen.
Ging man bisher von einem Fixed Mindset versus Growth Mindset aus, wird der zukünftig wahrscheinlich hilfreichste Mindset Change zwischen Finite versus Infinite Mindset stattfinden. Damit meinen wird, dass es in der Corona Welt um das Weitermachen geht, ohne die Regeln und die Parameter zu kennen, die bei einem neuen Aufflammen der Infektionszahlen alle wieder ungültig sein werden. Unter diesen Umständen ist nichts definiert, es gibt keinen Anfang, kein Ende, was heute gilt, kann morgen schon ganz anders sein, es gibt kein dauerhaft funktionierendes Regelwerk. Das Infinite Mindset hilft, das „Spiel zu spielen“ mit veränderbaren Regeln und ohne definierten Endpunkt.
Für Führungskräfte geht es damit umso mehr um komplexe Führung anstelle von komplizierter Führung. Teams, in denen agiles Arbeiten erfolgreich gelebt wird, und wo es Führungskräfte mit hoher polychroner Ausprägung gibt, werden nun erfolgreicher die neuen Herausforderungen bewältigen können.
Komplizierte, schwerfällige Prozesse und Berichte haben ausgedient, stattdessen geht es um schnelles Reagieren auf schnelle Änderungen, bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Widerständen, Ängsten, Phantasien, Rückschlägen, etc.
Da unter diesen Umständen die meisten bisherigen Prozesse als Strukturgeber nicht mehr dienlich sind, können als neue Leitlinien neue Werte und Sinn dienen, die es nach der Krise neu zu definieren gilt. Dafür ist Reflexion und Aufarbeitung des Erlebten nötig. Umso mehr gilt hier der Filmtitel „Zurück in die Zukunft“, sodass Optimismus und Zielstrebigkeit für die Zukunft Realität werden kann.
https://www.hrweb.at/2020/04/mitarbeiter-fuehrung-home-office/