Schön-& Schlechtwetter

 

Das Erstaunliche an der momentanen Situation ist, dass sehr viele Systeme, wie zum Beispiel Unternehmen oder auch Schulen, so weitermachen, als hätte sich der Kontext, in dem sie sich befinden, in keiner Weise verändert. In den Schulen wird darüber diskutiert, ob eine Schularbeit pro Semester für die Notenvergabe ausreichend ist, anstatt sich neue Konzepte der Leistungsbeurteilung und des Unterrichtens zu überlegen. In Unternehmen werden häufig die gleichen Ziele weiterverfolgt, anstatt diese den Gegebenheiten anzupassen. Das gleiche gilt für den Managementstil, der in den meisten Firmen weiterhin gepflegt wird.

Die Herausforderungen, denen sich die Organisationen in den letzten Jahrzehnten gegenübersahen, waren begründet im Verfolgen selbstgesetzter, sehr ehrgeiziger Ziele oder in Fehlentscheidungen, deren Konsequenzen es nachher wieder gerade zu biegen galt. Das funktionierte recht gut, da der Kontext, in dem sich die Unternehmen ab der Aufbauphase nach dem 2. Weltkrieg bis zur Finanzkrise 2008 bewegten, im Grunde genommen „Schönwetter“ war.

Nun hat sich die „Wetterlage“ geändert. Den jetzigen Corona-Kontext und der sich daraus ergebenden Herausforderungen könnte man auch als „Schlechtwetter“ bezeichnen. Da sich sehr viele noch unter den in den letzten Jahren fest gebauten Dächern aufhalten können, haben noch nicht alle tatsächlich erfahren, dass sie „nass“ werden können. Sie haben zwar gehört, dass es draußen stürmt und regnet, aber sie haben es noch nicht am eigenen Leib gespürt.

Die Versuchung ist also sehr groß, im Inneren die gleichen Prozesse weiter laufen zu lassen wie bisher. Diese sind vertraut, haben sich über Jahre bewährt, und sind gut eingeübt.

Das gilt auch für den vorherrschenden Managementstil, deren Anwender sich noch immer darauf verlassen, ein festes Dach über den Kopf zu haben. Es wird also weiterhin Schönwettermanagement betrieben, obwohl draußen schon längst Schlechtwetter herrscht.

Ein Problem bei der Anpassung ist sicherlich, dass viele junge Führungskräfte noch nie Schlechtwetter erlebt haben. Sie haben daher auch nicht die geeignete Ausrüstung, um bei Schlechtwetter eine Bergwanderung machen zu können.

Mit welcher „Ausrüstung“ ist eine Schlechtwetterphase zu bewältigen? Das sind keine Tools, die rasch anzuwenden sind, sondern Prinzipien, deren Anwendung den Weg ebnen.

 

Zweckorientierung und Effektivität

Ein wichtiger Teil der Schlechtwetterausrüstung ist eine passende Haltung.

Es gilt zu erkennen, dass ein Unternehmen ein künstlich geschaffenes Konstrukt ist, um ein Angebot zu schaffen, das für die Kunden einen gewissen Sinn erfüllt.

So betrachtet hat ein Unternehmen keinen Sinn. Es hat nur einen Zweck, nämlich den, etwas zu leisten, das für den Kunden einen Sinn macht.

Mit dieser Haltung, ist automatisch ein anderer Führungsstil verbunden. Im Schlechtwetter braucht es nämlich umso mehr diese Zweckorientierung, die Ausrichtung nach Effektivität, und nicht so sehr die Effizienzorientierung, die während Schönwetter dienlich ist. Wird weiterhin Effizienzorientierung gelebt, anstatt des Zwecks, für den Kunden einen Sinn zu schaffen, erhalten die Kunden weiterhin Angebote für Wellnessurlaube, vergünstigte Liftkarten und Markenanzüge im Doppelpack um die Hälfte reduziert.

Diese Angebote machen für Kunden im jetzigen Kontext jedoch keinen Sinn. So als würde der Manager handgefertigte Schuhe mit Ledersohlen tragen, obwohl er eigentlich Bergschuhe braucht.

Ein großes Problem entsteht, wenn das eine oder andere Unternehmen vielleicht entdeckt, kein Angebot zu haben, das jetzt für die Kunden Sinn macht. Das ist eine äußerst wichtige Frage, mit der sich das Management auseinandersetzen sollte. Innovationskraft und eine mutige Vorwärtsstrategie sind dann angesagt, um – aufbauend auf den Erfahrungen und Lernen aus den Fehlern der Vergangenheit – marktfähige Produkte zu entwickeln, die für den Kunden wieder Sinn machen.

 

Langfristige Ausrichtung und Verbundenheit

Im Sinne der Zweckorientierung ist auch ein langfristiges Denken und Planen wichtig. In Anbetracht eines überfluteten Gartens macht es keinen Sinn zu überlegen, Karottensamen heute Nachmittag oder doch erst morgen früh zu säen. Es gilt zuerst einmal abzuwarten, bis sich das Wasser wieder zurückgezogen hat, und dann statt der Karotten lieber Reis anzupflanzen, da Reis im Wasser besser wächst als Karotten.

So betrachtet machen die kurzfristig gedachten Quartals- und Halbjahresziele im Schlechtwetterkontext keinen Sinn mehr. Vielmehr geht es darum, gemeinsam ein langfristiges Wollen, dass das Unternehmen weiter bestehen bleibt, zu entwickeln. Die Manager sollten daher längerfristig mit dem Unternehmen verbunden sein und nicht in drei-Jahres-Zyklen ihrer Verträge denken. Diese kurzfristigen Intermezzi gefährden den langfristigen Rhythmus einer Organisation. Die damit einhergehende Bonuspolitik, die oft zu einem Stakkato an Change-Prozessen oder zu dauerhaften Sparexzessen führt, spaltet und dient nicht der Bindung an das Unternehmen. Aber gerade im Schlechtwetter braucht es Manager, die zutiefst verbunden sind, und bereit sind, hinzuschauen und auch hinzugreifen, wenn es darum geht, einen losen Wetterladen zu fixieren, der im Sturm klappert.

 

Biorhythmus eines Unternehmens

Die Vision des Gründers eines weltberühmten Familienunternehmens, das Möbel verkauft, war, dass dieses Unternehmen mindestens sechs Generationen überdauert. Führungskräfte, die eine derart langfristige Vorstellung verfolgen, werden automatisch andere Entscheidungen treffen, als Manager, die nur ihre kurzfristigen, mit hohen Boni verbundenen Ziele, verfolgen.

Wenn wir ein Unternehmen langfristig betrachten, ist auch klar, dass Wachstum nicht linear verläuft. Während einer Zeit von sechs Generationen gibt es viele verschiedene Phasen in der Entwicklung.

Nach Phasen des schnellen Wachstums und einer Hochphase kommt es automatisch zu einer Reduktion, wo es darum gehen sollte, darüber zu reflektieren, was gut war und was zukünftig anders gemacht werden sollte, damit danach eine neue Wachstumsphase starten kann. Statt ständiger Sparmaßnahmen werden dann Innovationen umgesetzt und damit das Wachstum wieder angefeuert. Gleichermaßen gibt es diese Kurve in der Leistungsfähigkeit und Motivation eines Menschen und in der Entwicklung eines Unternehmens.

Dieser Biorhythmus gilt für alle Systeme und ist ein Prinzip des Lebens. Eigenartigerweise glauben jedoch viele Unternehmensinhaber und Konzernleiter, dass diese Gesetzmäßigkeiten für sie nicht gelten. Es wird am linearen Wachstum festgehalten, egal um welchen Preis. Wenn dann Krisen eintreten, ist die Bestürzung groß – und es fehlt der ausgelaugten Organisation an Kraft und Einfallsreichtum, um diese zu überwinden.
Der Schlechtwettermanager sollte immer wissen, dass es auch Regen gibt und in der Schönwetterphase dafür vorsorgen, die schlechten Zeiten ohne Fremdhilfe zu bewältigen. Es gilt also, in guten Zeiten dafür zu sorgen, dass genügend Kraft, Stabilität und Ressourcen vorhanden sind, um in schlechten Zeiten ausreichend Schutz zu bieten.

Stattdessen werden die hohen Gewinne sehr häufig für - oft sinnlose - Zukäufe genutzt, nur um eine noch größere Hegemonie zu erreichen. Oft dient dann das Kerngeschäft nur mehr dem Zweck, die riesigen Investitionen abzudecken.  Wenn man der sechsten Generation jedoch auch noch ein festes Haus hinterlassen möchte, dann wird der Manager sicherlich seine Investitionsentscheidungen sehr sorgfältig überlegen und abwägen, was im Sinne des Unternehmens und der Nachhaltigkeit wichtig ist und was nicht.

 

Hoffnung

Wir alle merken es jetzt, nach so vielen Wochen des Nebels und trüben Wetters, wie sehr wir die Sonne herbeisehnen. Wir alle wissen ganz genau, dass es spätestens im Frühling wieder schön werden wird. Darauf freuen wir uns, bis dorthin halten wir durch.

Das ist eine Hoffnung, die jeder von uns in sich trägt, weil wir es in unseren Breitengraden jedes Jahr wieder erleben. Die Hoffnung ist eine Kraft in uns, die uns viel ertragen lässt. Aus unseren eigenen Erfahrungen heraus können wir mit Schlechtwetter inzwischen recht gut umgehen. Mit der Pandemie sieht es leider anders aus. Damit haben wir keine eigenen Erfahrungen. Jedoch ist auch in diesem neuen Kontext die Hoffnung eine Quelle der Kraft, die uns viel ertragen und schaffen lässt. Mit Hoffnung können wir schwierige Zeiten überwinden und sie hilft uns, Ängste und Blockaden zu verarbeiten.

EIn guter Schlechtwettermanager sollte daher die Fähigkeit haben, seinen Mitarbeitern Hoffnung zu geben. Damit ist nicht gemeint, ihnen das Blaue vom Himmel zu versprechen und irgendwelche Geschichten zu erzählen - Hauptsache positiv. Damit ist vielmehr gemeint, die Dinge beim Namen zu nennen, die Gefühle der Menschen zu erkennen und für sie da zu sein. Mit gewissen Routinen und Techniken ist das auch in virtuellen Führungssituationen möglich. In und nach Krisen gilt es, sich aus der „Aktionitis“ der kleinteiligen Zielerreichungs-Energie zu befreien, und den Mitarbeitern Hoffnung zu geben, dass gemeinsam diese schwierige Zeit bewältigt werden kann.

Die Führungskraft kann dies nur dann bewerkstelligen, wenn sie sich selbst in einem emotional ausbalancierten Zustand befindet. Ein Mensch, der deprimiert, aggressiv oder ausgebrannt ist, kann sicherlich nicht für andere Menschen emotional zur Verfügung stehen. Daher ist es für einen Schlechtwettermanager essenziell, für sich selbst und seinen eigenen guten Zustand zu sorgen.

Wenn man diese Prinzipien lebt, dann entstehen zwei Wirkkräfte, die eine moderne Führungskraft entwickeln und für andere spürbar anwenden wird: Innovationskraft und Integrationskraft. Nennen wir diese gebündelte Kraft einfach INNOGRATION.

Manager, die Innogrationsfähigkeit entwickeln, sind in der Lage kurzfristige Anpassungen zu schaffen, langfristig das Unternehmen auf Kurs zu halten und vor allem sind sie fähig, Krisen zu meistern und daraus auch Kraft und Resilienz zu schöpfen.

 

Vom Schönwetter- zum Schlechtwettermanager

Es ist klar, dass ein Mensch, der im Laufe seiner Sozialisation mit „leichten Schuhen“ durchs Leben gegangen ist, nicht genau weiß, welches Schuhwerk er braucht, um Schlechtwetterphasen zu bewältigen. Es ist klar, dass er dafür Unterstützung, Anleitung und laufendes Feedback braucht.

Ein weitsichtig agierendes Unternehmen wird seine Manager daher zeitgerecht auf Situationen, in denen „feste Schuhe“ gebraucht werden, vorbereiten, damit sie dann im Fall der Fälle gut darin laufen können.

Manager brauchen daher Ansätze für räumlich flexibles Arbeiten und Führen wie z. B. Kommunikation, Konfliktbewältigung, Onboarding und Transformationsgestaltung im weitgehend virtuellen Kontext. Darüber hinaus brauche sie vor allem aber auch eine Ausbildung zum Krisenmanagement, um mit all den genannten Herausforderungen gut umgehen zu können. Dabei gilt es, bei der Verarbeitung der persönlichen Lebenskrisen die eigene Resilienz und Bewältigungsstrategien zu entdecken. So sind sie dann in der Lage, ihren Mitarbeitenden Stabilität und Hoffnung geben zu können.

 

Mit Innogrations-Kraft kann es gelingen, ein Unternehmen gut durch die Krise zu steuern, um danach ein Stück weit mehr Resilienz gewonnen zu haben.

Sind Ihre Manager gut für „Schlechtwetter“ und Krisen gerüstet?

Wenn Sie mehr über unseren Innogrativen Ansatz für das Führen und Managen in und nach Krisen erfahren möchten, wenden Sie sich an uns!

14. Jänner 2021: Round table – Diskussionsrunde zu den Ergebnissen der Umfrage
                             „Produktivität im Homeoffice“

1. März 2021: InnogrationThe end of HR as we know it..

Virtuelle Zukunftskonferenz für die neuen Trends im Human Resources Management

 

 

*Wir bekennen uns voll und ganz zur Genderregelung. Zur leichteren Lesbarkeit gilt in diesem Text bei allen personenbezogenen Bezeichnungen die gewählte Form für beide Geschlechter.